Was bewegt einen Mann zu tanzen?

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Tan­zen ist ein tol­les Hob­by. War­um, das habe ich bereits in meh­re­ren Arti­keln beschrie­ben. Und dass wir Frau­en ger­ne tan­zen, ist eben­falls alles ande­re als ein Geheim­nis. Aber was bewegt eigent­lich die Män­ner? Mit die­ser Fra­ge habe ich mich ein biss­chen mehr beschäf­tigt und mich des­halb mit mei­nem Tanz­leh­rer­kol­le­gen Cars­ten Matheus zusam­men­ge­setzt.

Cars­ten hat von 2019 bis 2022 bei uns in der Tanz­schu­le Tess­mann sei­ne Aus­bil­dung gemacht und war schon vor­her, als ich sel­ber noch bei Köln gelebt habe, einer mei­ner Tanz­schü­ler. Als einer der männ­li­chen Tanz­schü­ler, die spä­ter den Weg in den Beruf des Tanz­leh­ren­den gefun­den haben, ist er der per­fek­te Gesprächs­part­ner für mei­ne Fra­gen.

Cars­ten, mit 15 Jah­ren hast du mit dem Tan­zen begon­nen. Wie kam es über­haupt dazu?
Mit­te oder Ende der neun­ten Klas­se hat die Mut­ter eines Klas­sen­ka­me­ra­den vor­ge­schla­gen, dass alle aus unse­rer Klas­se, die Lust hat­ten, doch zusam­men einen Tanz­kurs machen könn­ten. Sozu­sa­gen als Abschluss der Klas­sen­ge­mein­schaft, bevor wir dann in die Ober­stu­fe kamen. Wel­che Tanz­schu­le es wer­den soll­te, haben unse­re Eltern abge­spro­chen. Am Ende waren wir 23 oder 24 Schüler*innen.

Und du warst direkt dabei? Als Jun­ge sind die meis­ten beim The­ma Tan­zen erst ein­mal skep­tisch…
Ja, ganz so sicher war ich mir zunächst nicht, das stimmt. Aber ich habe mit mei­nen Eltern dar­über gespro­chen und sie mein­ten, dass ich es doch ein­fach ein­mal pro­bie­ren kann. Wenn es mir dann nicht gefällt, kön­ne ich ja immer noch auf­hö­ren. Und so hät­te ich auf jeden Fall die Erfah­rung gemacht.

Das hat mich über­zeugt und Ende April 2014 haben wir dann ange­fan­gen.

Wuss­test du sofort, dass Tan­zen „dein Ding“ ist, oder hat es erst ein­mal ein biss­chen gedau­ert?
Nein, sofort wuss­te ich das auf kei­nen Fall. Erst ein­mal war alles neu und ich war ordent­lich damit beschäf­tigt, die Schrit­te zu ler­nen. Zusätz­lich hat­te ich auch noch ande­re Hob­bys am glei­chen Tag und war mir gar nicht so sicher, ob ich das wirk­lich lang­fris­tig machen möch­te.

Aber du hast dich trotz­dem für den Fort­ge­schrit­te­nen Kurs ent­schie­den.
Stimmt. Dazu haben mich die Mäd­chen über­re­det. Und als es nicht nur mei­ne Freun­din­nen, son­dern auch ande­re Mäd­chen aus der Klas­se waren habe ich mir gedacht: Na gut, ich mache den nächs­ten Kurs auch noch mit. Und da hat es dann auch ange­fan­gen, so rich­tig Spaß zu machen. Ich habe gemerkt, dass mir Tan­zen liegt und es war cool, immer mehr Ver­ständ­nis über das zu erlan­gen, was ich da tue. So bin ich siche­rer und selbst­be­wuss­ter gewor­den und die Bewe­gung zu Musik ist etwas, das mir ein­fach gefällt.

2017 war dann dein Abitur dran. Die meis­ten Jugend­li­chen hören mit dem Abi auf zu tan­zen, weil sie weg­zie­hen, ande­re Schwer­punk­te in ihrem Leben set­zen, oder ein­fach nicht mehr die Zeit haben. Du bist dabei­ge­blie­ben. War­um?
Zu dem Zeit­punkt habe ich 3 Jah­re getanzt. Mitt­ler­wei­le auch nicht mehr nur im Kurs, son­dern zusätz­lich in der For­ma­ti­on unse­rer Tanz­schu­le. Ich hat­te das Glück, dass der Kern von unse­rer Grup­pe auch nach dem Abi wei­ter­tan­zen woll­te und ich sel­ber auch in der Gegend geblie­ben bin. Tan­zen hat mir Spaß gemacht, also gab es auch kei­nen Grund, auf­zu­hö­ren.

Und wie kam es dann dazu, dass du dar­über nach­ge­dacht hast, Tanz­leh­rer zu wer­den?
Ganz ein­fach: Du hast mich gefragt, ob ich mir vor­stel­len kann Tanz­leh­rer zu wer­den. Das hat sich ziem­lich cool ange­fühlt, auch weil du gesagt hast, dass ich dir im Unter­richt auf­ge­fal­len bin, dass mir nicht nur das Tan­zen liegt, son­dern dass ich auch immer wie­der mei­nen Freun­den beim Tan­zen hel­fe und ihnen Tipps geben kann. Sel­ber war ich mir noch gar nicht so sicher, was ich nach dem Abi machen möch­te. Ob ich stu­die­ren will oder eine Aus­bil­dung mache. Dei­ne Fra­ge hat mir spon­tan einen wei­te­ren Weg eröff­net, der mich nicht nur zu einem Beruf füh­ren könn­te, son­dern auch dahin, dass ich ein lang­jäh­ri­ges Hob­by zu mei­nem Beruf machen könn­te. Eine Opti­on, die gera­de in der heu­ti­gen Zeit sehr reiz­voll ist.

Letzt­end­lich ist das Gan­ze dann aus ver­schie­dens­ten Grün­den erst ein­mal im San­de ver­lau­fen…

Bis du dich 2019 bei mir in Kiel gemel­det hast.
Genau. 2018 bist du ja aus unse­rer alten Tanz­schu­le weg­ge­gan­gen und nach Kiel gezo­gen. Weil ich mir in dem Betrieb kei­ne Aus­bil­dung vor­stel­len konn­te, war das The­ma erst ein­mal für mich erle­digt und ich habe begon­nen zu stu­die­ren. Als ich im zwei­ten Semes­ter fest­ge­stellt habe, dass der Stu­di­en­gang oder viel­leicht sogar Stu­die­ren im All­ge­mei­nen nicht das rich­ti­ge für mich ist, habe ich über Alter­na­ti­ven nach­ge­dacht und dich ange­schrie­ben, da ich wuss­te, dass du vor dei­ner Aus­bil­dung auch ein Stu­di­um ange­fan­gen hat­test. Nach­dem wir ein biss­chen geschrie­ben haben, hast du mir dann ange­bo­ten, dass ich doch ein­fach nach Kiel kom­men und in dei­ner Tanz­schu­le ein Prak­ti­kum machen kann. So hat sich letzt­lich erge­ben, dass ich die Tanz­leh­rer­aus­bil­dung nicht nur ange­fan­gen, son­dern auch hier in der Tanz­schu­le gemacht habe.

Als männ­li­cher Tän­zer und Tanz­leh­rer mit die­sem Wer­de­gang: War­um soll­ten Jugend­li­che, gera­de jun­ge Män­ner, tan­zen oder mit dem Tan­zen anfan­gen?
Eine Moti­va­ti­on ist bestimmt, wenn jemand Spaß an Bewe­gung hat, eben­so wie an Musik. Das kann man mit dem Tan­zen ein­fach wun­der­bar ver­bin­den. Beson­ders cool ist es natür­lich, wenn man, so wie ich, zusam­men in einer Grup­pe star­ten kann, wo man schon meh­re­re Leu­te kennt. Dar­aus ergibt sich ein­fach noch ein­mal ein beson­de­rer sozia­ler Aspekt. Einer­seits lernt man die Leu­te, die man aus dem All­tag kennt, noch ein­mal ganz anders ken­nen. Gleich­zei­tig kommt man aber auch in den Kon­takt mit ande­ren Leu­ten, die man sonst viel­leicht nicht unbe­dingt getrof­fen hät­te.

Und dann ist da eben der Punkt, der auch auf mich zutrifft, dass man eine gewis­se Selbst­si­cher­heit und ein Selbst­be­wusst­sein erlangt. Dadurch, dass man nicht nur sich sel­ber, son­dern auch eine Part­ne­rin bewegt, ent­steht ein­fach ein ganz ande­res Gefühl für den eige­nen Kör­per und für die Kon­trol­le, die der Kör­per für das paar­wei­se Tan­zen benö­tigt.

Ganz davon abge­se­hen, dass man sich nicht nur auf die eine, son­dern meist gleich auf meh­re­re Part­ne­rin­nen ein­stel­len muss.

Benimm, respekt­vol­ler Umgang mit sich selbst und dem Gegen­über, das Erken­nen und Akzep­tie­ren von Gren­zen und eine deut­li­che Ver­bes­se­rung der Kör­per­hal­tung kom­men dadurch logi­scher­wei­se auto­ma­tisch mit dazu.

Wür­dest du sagen, dass das Tan­zen für dich im All­tag etwas Posi­ti­ves gebracht hat?
Naja, die bereits genann­ten Sachen wir­ken sich natür­lich posi­tiv auf den All­tag aus. Das gemein­sa­me Erzäh­len in den Pau­sen wäh­rend des Kur­ses erwei­tert den sozia­len Kon­takt unter­ein­an­der und man lernt ein­fach noch ein­mal auf eine ande­re Art und Wei­se, mit­ein­an­der zu kom­mu­ni­zie­ren. Zu guter Letzt hat das Tan­zen dafür gesorgt, dass Kon­tak­te über die Schu­le hin­aus bestehen blei­ben konn­ten und wir auch außer­halb, Din­ge mit­ein­an­der unter­nom­men haben.

Was wür­dest du einem Jugend­li­chen sagen, der sich unsi­cher ist, einen Tanz­kurs zu machen?
Wenn ihr über­legt, aber euch unsi­cher seid, dann macht es auf jeden Fall. Es gibt so vie­le Leu­te, gera­de Män­ner, die es bereu­en, es in ihrer Schul­zeit nicht gemacht zu haben und sich nach­träg­lich dar­über ärgern. Gera­de wenn sie fest­stel­len, dass es doch eine Men­ge Spaß bringt. Und wenn man dann doch fest­stellt, dass es kei­nen Spaß macht oder nichts bringt, dann kann man immer noch auf­hö­ren. Das ist ja letzt­end­lich auch der Rat mei­ner Eltern gewe­sen. Und so habt ihr es aus­pro­biert. Wenn ihr also dar­über nach­denkt, oder eure Freun­de pla­nen, einen Kurs zu machen, dann pro­biert es aus. Die Chan­ce besteht, dass es zu einem tol­len Bestand­teil eures Lebens wird.

Ist das für die erwach­se­nen Män­ner etwas ande­res, oder grei­fen da die glei­chen Rat­schlä­ge?
Im Grun­de genom­men ist es für die Erwach­se­nen genau das Glei­che. Auch hier wer­den Freund­schaf­ten und Bezie­hun­gen gefes­tigt, teil­wei­se auch neue Freund­schaf­ten und Bekannt­schaf­ten gefun­den. Beson­ders schön ist, dass es die Sicht­wei­se auf den eige­nen Part­ner oder die eige­ne Part­ne­rin noch ein­mal ins Posi­ti­ve ver­än­dern kann. Im bes­ten Fall wird es eine schö­ne Zeit, die man gemein­sam mit­ein­an­der ver­bringt und dar­aus einen deut­li­chen Mehr­wert mit­nimmt. Aber am Ende gilt eben immer, ob ich dar­auf Lust habe oder nicht. Und wenn ich mir unsi­cher bin, dann soll­te ich es auf jeden Fall immer zumin­dest ein­mal in einer Schnup­per­stun­de oder so aus­pro­bie­ren. Es muss ja noch nicht ein­mal die eige­ne Part­ne­rin sein, son­dern viel­leicht hat man eine gute Freun­din, mit der man Lust hat, die­se Erfah­rung zu machen.

Viel zu oft wird Tan­zen aus der Per­spek­ti­ve der Frau betrach­tet. Die Män­ner haben da meis­tens die Rol­le der Per­son, die eigent­lich gar nicht so wirk­lich Lust dar­auf hat, aber „eben ein­fach mit­muss“. Umso schö­ner ist es für mich, mit einem Kol­le­gen wie Cars­ten zusam­men­zu­ar­bei­ten, der sich nicht nur in die Män­ner hin­ein­ver­set­zen kann, son­dern auch die­se beson­de­re „männ­li­che“ Per­spek­ti­ve mit in unse­ren Tanz­schul­all­tag ein­flie­ßen lässt.

Bericht und Fotos: Inga Wil­king,
ADTV Tanz­schu­le Tess­mann

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