Zwischen Euphorie und Todesangst

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Es gibt Erleb­nis­se, von denen wird man noch sei­nen Enkel­kin­dern erzäh­len. Bevor­zugt natür­lich posi­ti­ve Erleb­nis­se. Ein sol­ches Erleb­nis durf­te ich Anfang des Jah­res machen. Mit einem Freund, der bei wei­tem ein noch grö­ße­rer Auto­fan ist als ich, hat­te ich schon lan­ge geplant , ein Foto­shoo­ting mit zwei sei­ner Fahr­zeu­ge umzu­set­zen. Ein­fach nur Fotos zu machen wäre aller­dings viel zu öde. Also schmie­de­ten wir den Plan, das Foto­shoo­ting mit einer etwa 100 km lan­gen Fahrt zu der Gol­lan Kul­tur­werft in Lübeck, die uns als Loca­ti­on dien­te, zu ver­bin­den und ein Erleb­nis dar­aus zu machen. Mei­nem Freund Kay haben es ins­be­son­de­re Eng­li­sche Klas­si­ker ange­tan, so han­del­te es sich bei den bei­den Fahr­zeu­gen um einen „Jagu­ar C‑Type“ und einen „Mor­gan Plus 4 Le Mans 62“. Zwei unfass­bar schö­ne und inter­es­san­te Fahr­zeu­ge. Der Jagu­ar ist als Renn­wa­gen in den 1950er Jah­re ent­wi­ckelt wor­den. Eine dün­ne Alu­mi­ni­um­haut, gespannt über einen leich­ten Git­ter­rohr­rah­men und einem etwa 220 PS star­ken Rei­hen­sechs­zy­lin­der mit einem Sound zum nie­der­knien, machen den C‑Type ein­zig­ar­tig. Der Mor­gan Le Mans 62 ist eine Son­der­edi­ti­on als Homage an das Sie­ger­fahr­zeug 1962. Die­ses Fahr­zeug ist auf nur 80 Fahr­zeu­ge Limi­tiert. Als Plus 4 sogar nur 40 Fahr­zeu­ge.

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Das Shoo­ting soll­te an einem schö­nen Tag im Novem­ber statt­fin­den. Lei­der emp­fing uns der Mor­gen mit Regen und wir muss­ten ent­schei­den, ob wir unser Vor­ha­ben durch­zie­hen oder ob wir es abbla­sen. Wir ent­schie­den uns erst ein­ma, bei­de Fahr­zeu­ge für die Fahrt und das Shoo­ting vor­zu­be­rei­ten. Und sie­he da, Petrus hat­te Mit­leid mit uns uns stell­te kurz­zei­tig den Regen ein. Was sich jedoch spä­ter als List her­aus­stell­te, denn als wir unter­wegs waren, ließ er doch noch ein­mal etwas Regen auf uns her­ab reg­nen. Da ich in dem geschlos­se­nen Mor­gan saß, mach­te mir das Wet­ter nicht ganz so viel aus. Kay, der in dem offe­nen Jagu­ar fuhr, hat­te kei­ne so sehr ange­neh­me Fahrt. Allein die Hin­fahrt im Mor­gan war für mich schon eine total genia­le Erfah­rung. Gefühlt auf der Hin­ter­ach­se zu sit­zen und auf die ewig lan­ge Motor­hau­be zu bli­cken ist ein­fach anders als alles, was ich bis­her gefah­ren war. Und dazu die win­zi­gen Schei­ben­wi­scher, die hek­tisch ver­such­ten, den Regen von der Wind­schutz­schei­be zu wischen. Sehr unter­halt­sam. Am meis­ten beein­druckt war ich, wie Pas­san­ten und ande­re Ver­kehrs­teil­neh­mer auf die Autos reagiert haben. Die Leu­te haben mit dem Fin­ger auf uns gezeigt und sich gefreut und gelacht. Eini­ge haben sich sogar den Kopf an der Schei­be im Bus gesto­ßen. Nur um sich die bei­den Autos genau­er anzu­se­hen. Dar­um geht es doch, Men­schen ein wenig Freu­de zu berei­ten.

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Die Gol­lan Kul­tur­werft pass­te als Loca­ti­on per­fekt zu den bei­den Fahr­zeu­gen. Das Ober­licht beton­te die Kur­ven der Karos­se­rien und der puris­ti­sche Charme des alten Fabrik­ge­bäu­des tat sein Übri­ges um die bei­den Fahr­zeu­ge in rech­te Licht zu rücken. Als wir mit dem Foto­shoo­ting fer­tig wur­den, war es drau­ßen schon fast dun­kel. Ich habe die unfass­ba­re Gele­gen­heit bekom­men den Jagu­ar zurück fah­ren zu dür­fen. Für mich ein rie­si­ger Ver­trau­ens­be­weis. Ein Renn­wa­gen, als Rechts­len­ker, im Dun­keln… Ehr­lich gesagt hat­te ich die Hose ein biss­chen voll. Ich konn­te aber auch nicht „Nein“ sagen. So eine Gele­gen­heit wür­de ich nicht wie­der­be­kom­men. Als ich dann mit Helm, Bril­le und dickem Schal in dem Wagen saß und fuhr, wur­de mir erst bewusst, was ich da tue. Der Fahrt­wind blies mir eis­kalt ins Gesicht, weil die „Wind­schutz­schei­be“ win­zig war und ich ver­such­te mich mög­lichst klein zu machen.

Da ich rela­tiv wenig in den klei­nen Rück­spie­geln sehen konn­te, muss­te ich mich bei jedem Spur­wech­sel immer wie ein klei­nes Erd­männ­chen auf­rich­ten, um mich umzu­se­hen. Wäh­rend ich LKW über­holt habe auf der Auto­bahn, haben mich weder Schei­ben oder sonst irgend­et­was von den dröh­nen­den Kolos­sen, die neben mir fuh­ren, getrennt. Dadurch das der C‑Type ein Rechts­len­ker ist, hast du das Gefühl, du könn­test die LKW berüh­ren, wenn du den Arm aus­streckst. Und mir wur­de klar, dass – wenn ich jetzt einen Unfall baue – mich der Git­ter­rohr­rah­men mit der Alu­mi­ni­um­haut nicht so beson­ders gut schüt­zen wird. Also tat ich mein Bes­tes, um die­ser Befürch­tung nicht auf den Grund gehen zu müs­sen. Ich kann sagen, an die­sem Punkt in mei­nem Leben, lagen Freu­de und eine rand­vol­le Hose noch nie so dicht bei­ein­an­der.

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Bereue ich das ich die­se Tour ange­tre­ten bin? Zur Höl­le, Nein! Es war eine unfass­ba­re Erfah­rung die ich nicht Mis­sen möch­te. Wür­de ich es wie­der tun? Ver­dammt noch mal, ja ich wür­de! Und kei­ne Sor­gen sowohl Fah­rer als auch Fahr­zeu­ge sind heil wie­der zuhau­se ange­kom­men.

Bericht und Fotos: Sören Wulf

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