Wenn ein Kinderleben plötzlich in Deinen Händen liegt
Bereitschaftspflege – da sein, wenn niemand sonst da ist
Teil 1: Unsere Beweggründe und unsere Bewerbung
Dieser Bericht erzählt von einer Reise, die wir nicht geplant haben – und die doch tief in uns längst begonnen hatte. Eine Reise, die uns verändert. Und vielleicht auch Dich berührt.
Wir sind Arno und Loan Heyne, Inhaber des Verlags und Herausgeber dieses Magazins NORDISCH LIFESTYLE. Doch dieser Bericht erzählt nicht von unserer Arbeit, sondern von einer Reise, die unser Leben verändert – eine Reise, die uns als Menschen fordert und berührt.
Wir möchten Dich mitnehmen auf unseren Weg als Bereitschaftspflegeeltern. Vom ersten Gedanken über unsere Bewerbung, die Gespräche mit dem Jugendamt, die Vorbereitung, die erste Nacht mit einem fremden Kind bis hin zum Alltag mit den Kindern – und den Momenten des Abschieds. Das kommende Jahr wird intensiv, ehrlich und voller Geschichten, die erzählt werden müssen.
In diesem ersten Teil geht es um das, was uns bewegt hat. Um die Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Und um die ersten Schritte: die Bewerbung, die Gespräche, das Ankommen in einem System, das Kinder schützt – und Menschen braucht, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Wir schreiben, weil wir überzeugt sind, dass dieses Thema mehr Sichtbarkeit verdient. Weil Pflegekinder und Pflegeeltern in unserer Gesellschaft oft übersehen werden. Und weil wir zeigen möchten, wie viel Mut, Liebe und Menschlichkeit in diesem Weg steckt.
Nicht, weil wir uns selbst feiern wollen. Sondern weil wir glauben, dass Geschichten wie diese erzählt werden müssen. Ehrlich. Nah. Und ohne Filter.
Warum wir diesen Weg gehen
Es war kein Entschluss, den man über Nacht trifft. Kein Projekt, das man plant wie einen Umbau oder eine Reise. Es war ein Gefühl, das sich langsam in unser Leben schlich. Erst leise, dann immer lauter. Ein Gedanke, der nicht mehr ging: Was, wenn irgendwo ein Kind gerade alles verloren hat? Was, wenn es niemanden hat, der es hält, der es beruhigt, der einfach da ist? Und was, wenn wir genau die sind, die es gerade braucht?
Wir haben beide erlebt, wie es sich anfühlt, als Kind nicht wirklich gesehen zu werden. Nicht gehalten, nicht getröstet, nicht willkommen. Diese Erfahrung hat Spuren hinterlassen – aber auch Mitgefühl, Stärke und den tiefen Wunsch, es anders zu machen. Für andere. Für Kinder.
Die Kinder, die in Bereitschaftspflege kommen, tragen oft eine Geschichte in sich, die kaum jemand kennt – und die niemand erleben sollte.
Sie kommen aus Wohnungen, in denen die Luft nach Vernachlässigung riecht. Aus Familien, in denen Gewalt kein Ausnahmezustand, sondern Alltag ist. Aus Nächten, in denen niemand da war, wenn sie geweint haben. Manche wurden aus Kliniken entlassen, ohne dass jemand sie abholte. Andere wurden aus überforderten Haushalten geholt, aus Notunterkünften, aus Situationen, die man sich kaum vorstellen kann.
Was sie mitbringen, ist oft nicht nur ein kleiner Rucksack – sondern Kleidung, die viel zu klein oder viel zu groß ist, kaputt, verschmutzt, abgetragen. Manche Kinder kommen ganz ohne Kleidung. Manche bringen Nahrung mit, die nicht altersgerecht ist – weil ihre Eltern nichts anderes hatten oder nicht wussten, was sie brauchen.
Was wir uns gefragt haben – und was wir heute wissen
Bevor wir den ersten Schritt wagten, bevor wir überhaupt ein Jugendamt kontaktierten, waren da Gedanken. Zweifel. Fragen, die sich leise in unser Leben schlichen – und uns lange begleiteten.
Vielleicht kennst Du solche Fragen. Vielleicht nicht. Aber sie gehören zu unserer Geschichte. Und deshalb möchten wir sie teilen.
Bin ich bereit, die Verantwortung für ein fremdes Kind zu übernehmen?
- Du wirst es nie ganz sicher wissen. Aber wenn Du bereit bist, Dich einzulassen, zu lernen und zu wachsen, dann bist Du bereit. Es geht nicht um Perfektion – sondern um Haltung.
Ich habe Angst, dass das Kind wieder geht und ich verletzt werde.
- Ja, das tut weh. Aber es geht nicht um Dich. Es geht um das Kind – und darum, dass es in dieser Zeit bei Dir sicher war und geliebt wurde. Das bleibt.
Ich bin nicht pädagogisch ausgebildet – bin ich überhaupt geeignet?
- Ja. Du brauchst kein Diplom. Du brauchst Herz, Verlässlichkeit und die Bereitschaft, Dich begleiten zu lassen. Fachwissen kann wachsen – Haltung muss da sein.
Ich habe Angst vor Verhaltensauffälligkeiten oder Traumafolgen.
- Diese Kinder haben viel erlebt. Aber Du bist nicht allein. Es gibt Netzwerke, Fachberatung und Menschen, die Dir zur Seite stehen. Und Du wirst lernen, mit dem Kind gemeinsam zu wachsen.
Was, wenn mein Umfeld das nicht versteht oder ablehnt?
- Nicht jeder wird sofort verstehen, was Bereitschaftspflege bedeutet. Aber mit Offenheit, Gesprächen und Geduld kann Verständnis wachsen. Und Du wirst Menschen finden, die Dich bestärken.
Ich bin Single /älter /habe keine Kinder – bin ich überhaupt „normal“ genug?
- Was ist schon normal? Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen echte Menschen mit Platz im Herzen – und mit der Bereitschaft, da zu sein.
Ich habe Angst, Fehler zu machen oder dem Kind zu schaden.
- Fehler gehören dazu. Wichtig ist, dass Du reflektierst, offen bleibst und Hilfe annimmst. Niemand erwartet Perfektion – aber Verantwortung.
Ich weiß nicht, ob ich mit der Herkunftsfamilie umgehen kann.
- Du musst sie nicht lieben. Aber Du musst respektieren, dass das Kind Teil dieser Familie ist. Und Du kannst lernen, damit umzugehen – Schritt für Schritt.
Ich weiß nicht, ob ich das emotional aushalte.
- Vielleicht nicht immer. Aber Du wirst wachsen. Und Du wirst getragen – von einem Netzwerk, das Dich nicht allein lässt. Und von Momenten, die alles wert sind.
Ich habe Angst, dass ich mein eigenes Kind verletze oder meinen Ehepartner und Freunde vernachlässige.
- Diese Sorge ist berechtigt – denn Pflege verändert den Alltag. Aber mit Achtsamkeit, Gesprächen und gemeinsamen Grenzen lässt sich ein gutes Gleichgewicht finden. Nähe entsteht nicht durch Perfektion, sondern durch Verbundenheit.
Diese Fragen sind kein Hindernis. Sie sind ein Anfang. Denn wer sich solche Fragen stellt, ist bereits auf dem Weg.
Der Weg zum Jugendamt – und warum die Wahl wichtig ist
Als wir uns entschieden haben, diesen Weg zu gehen, war uns sofort klar: Es sollte nicht einfach nur ein weiteres Formular sein, das wir ausfüllen. Wir wollten verstehen, wie dieses System wirklich funktioniert. Und wir wollten Menschen finden, mit denen wir uns ehrlich und vertrauensvoll auf den Weg machen können.
Wir haben verschiedene Jugendämter kontaktiert – und schnell gespürt, wie unterschiedlich solche Gespräche verlaufen können. Manche wirkten sehr eingebunden in ihre Abläufe, andere etwas weniger strukturiert. Einige waren freundlich, aber dennoch distanziert. Oft hatten wir das Gefühl, dass die Mitarbeitenden stark in den Rollen und Anforderungen ihres Amtes verankert waren. Es fehlte manchmal die Offenheit, die Wärme, das echte Interesse, das Vertrauen wachsen lässt.
Dann kam ein erstes Gespräch, das anders war. Es war menschlicher, näher, herzlicher. Wir fühlten uns gehört und verstanden. Nicht nur unsere Fragen wurden beantwortet – es wurde zugehört, nachgefragt, mitgedacht. Es war kein Austausch über Akten und Abläufe, sondern ein Gespräch von Mensch zu Mensch. Genau das hat uns gezeigt: Vertrauen entsteht dort, wo Begegnung ehrlich und menschlich ist.
Bitte versteh uns richtig: Es geht uns nicht darum, einzelne Jugendämter schlecht darzustellen. In jedem Amt arbeiten Menschen – engagiert, belastet, manchmal überfordert. Und wie im Leben allgemein gilt: Nicht jeder passt zu jedem. Für uns zählt am Ende nur das Gefühl, das ein Gespräch hinterlässt. Ob wir uns gesehen fühlen. Ob wir spüren, dass jemand wirklich zuhört. Ob Vertrauen entstehen kann.
Wir haben uns schließlich für ein Jugendamt entschieden, das nicht das nächstgelegene war. Nicht, weil wir etwas verbergen wollten – sondern weil diese Wahl zutiefst persönlich war. Es war eine Entscheidung aus einer Begegnung heraus, nicht aus einem Vergleich von Strukturen. Und weil jede Familie ihren eigenen Weg geht, möchten wir niemanden unbeabsichtigt beeinflussen. Manchmal spürt man einfach, wo ein echtes Gegenüber wartet. Wo Gespräche nicht nur formal sind, sondern menschlich. Wo man das Gefühl bekommt: Ihr seid willkommen. Ihr werdet begleitet. Ihr seid nicht allein.
Wichtig zu wissen
- Du hast die freie Wahl, mit welchem Jugendamt du zusammenarbeiten möchtest – es muss nicht zwingend das im eigenen Landkreis sein. Entscheidend ist, wo Vertrauen und ein gutes Miteinander entstehen können.
- Nach erfolgreicher Prüfung und Zulassung als Pflegeeltern in einem Jugendamt kannst du dich auch in anderen Jugendämtern anmelden.
- Wenn du eine Dauerpflege außerhalb deines Landkreises startest, übernimmt nach zwei Jahren – gesetzlich festgelegt – das Jugendamt in deinem Landkreis die Betreuung.
- Der Bewerbungsprozess kann je nach Landkreis unterschiedlich ablaufen. Manche Jugendämter haben feste Strukturen und klare Abläufe, andere gestalten den Weg individueller. Deshalb lohnt es sich, früh nachzufragen, wie genau der Prozess in deiner Region aussieht.
Wenn du dich für diesen Weg interessierst, kannst du dich beim Pflegekinderdienst in deiner Umgebung informieren. Besonders wertvoll sind die Infoabende, die viele Jugendämter anbieten. Dort geht es nicht nur um Bereitschaftspflege, sondern um Pflegeeltern im Allgemeinen: Dauerpflege, Kurzzeitpflege und Bereitschaftspflege. Wir erinnern uns noch gut an unseren ersten Infoabend. Es war kein nüchternes Vortragen von Fakten, sondern ein Abend voller Offenheit, Wärme und Menschlichkeit. Es wurde ehrlich über die Herausforderungen gesprochen, aber auch über die Chancen. Es wurde klar erklärt, was Pflege bedeutet – und gleichzeitig spürte man die Wertschätzung für Menschen, die bereit sind, diesen Weg zu gehen.
Solche Abende sind eine wunderbare Gelegenheit, nicht nur Antworten auf deine Fragen zu bekommen, sondern auch ein Gefühl dafür, ob du dich mit den Menschen im Jugendamt wohlfühlst.
Die geforderten Unterlagen können je nach Jugendamt unterschiedlich sein. Deshalb erkundige dich am besten vorab genau, was in deinem Fall benötigt wird. Im Kern gehören aber fast immer diese Bestandteile dazu:
- Ein erweitertes Führungszeugnis
- Ein ärztliches Attest zur gesundheitlichen Eignung
- Ein kurzer Lebensbericht, in dem du erzählst, wer du bist, was dich geprägt hat und was dich bewegt
- Stabile wirtschaftliche Verhältnisse
Und vor allem: den Mut, Fragen zu stellen, Hilfe anzunehmen und ehrlich zu sein
Pflegeelternschaft – ob Dauerpflege, Kurzzeitpflege oder Bereitschaftspflege – ist kein Weg, den man nebenbei geht. Es ist eine Entscheidung, die das Herz braucht. Und die Offenheit, sich auf etwas einzulassen, das man nicht planen kann.
Dabei ist wichtig zu verstehen: Eine Bewerbung als Pflegeeltern ist kein einseitiger Prozess. Das Jugendamt prüft sorgfältig, ob die Voraussetzungen stimmen – und gleichzeitig darfst auch du prüfen, ob es für dich passt. Natürlich hat das Jugendamt das Hoheitsrecht, über eine Zulassung zu entscheiden. Doch genauso entscheidend ist, dass du dich auf dein eigenes Gefühl verlässt. Denn nur wenn beide Seiten Vertrauen spüren, kann eine gute und tragfähige Zusammenarbeit entstehen.
Du musst nicht perfekt sein. Du musst nicht verheiratet sein. Du musst nicht aus einem bestimmten Beruf kommen. Es spielt keine Rolle, ob du allein lebst, in einer Beziehung oder mit Familie. Es spielt auch keine Rolle, welcher Kultur du angehörst oder wie du dein Leben führst. Entscheidend ist deine Haltung – deine Bereitschaft, einem Kind in Not ein Zuhause auf Zeit zu geben.
Natürlich prüft das Jugendamt sorgfältig, ob die Rahmenbedingungen passen. Diese Prüfung ist wichtig, weil es am Ende um das Wohl eines Kindes geht. Aber sie soll dich nicht verunsichern – vielmehr ist es ein gemeinsamer Prozess. Das Jugendamt möchte dich kennenlernen, verstehen, wer du bist und wie du lebst. Es geht darum zu sehen, ob die Voraussetzungen stimmen – für dich, für das Kind und für alle Beteiligten.
Darum gilt: Jeder Mensch, der mit Herz und Verantwortung bereit ist, einem Kind in einer schwierigen Situation beizustehen, hat die Chance, Pflegeeltern zu werden. Trau dich – dein Herz zählt, und das Jugendamt begleitet dich auf diesem Weg.
Die Wahrheit über Jugendämter
In den Medien hört man fast immer nur das Negative über das Jugendamt. Vielleicht, weil schlechte Nachrichten mehr Aufmerksamkeit bekommen. Weil es einfacher ist, mit dem Finger zu zeigen, als die ganze Geschichte zu verstehen. Wenn Kinder zu spät aus einer Familie geholt werden, heißt es sofort: Das Jugendamt hat versagt. Wenn Kinder früh herausgenommen werden, heißt es genauso: Das Jugendamt übertreibt.
Egal, wie sie handeln – es scheint nie richtig zu sein. Aber so ist das Bild, das nach außen entsteht. Die Wahrheit ist viel menschlicher und viel schwerer: Hinter jeder Entscheidung stehen Menschen, die sich diese Schritte nicht leicht machen.
Das Jugendamt läuft nicht durch die Straßen und reißt Kinder einfach aus ihrem Zuhause. Bevor ein Kind aus seiner Familie genommen wird, müssen gravierende Umstände vorliegen. Vor allem müssen gesetzliche Vorschriften und Bedingungen erfüllt sein, an die sich die Mitarbeitenden strikt halten müssen. Das braucht Zeit, Geduld und sorgfältige Prüfung. Grundlos wird kein Kind aus seiner Familie herausgenommen.
Das Jugendamt ist kein kaltes System. Es sind Menschen, die Tag für Tag Entscheidungen vorbereiten müssen, die niemand von uns leicht treffen könnte. Menschen, die abwägen, die zweifeln, die hoffen. Menschen, die wissen, dass jeder Schritt ein Leben verändern kann. Und genau deshalb tragen sie diese Verantwortung mit Herz und mit der Last, die dazugehört.
Wichtig ist: Die Entscheidung, ob ein Kind in seiner Familie bleibt oder herausgenommen wird, trifft nicht das Jugendamt und auch keiner der Beteiligten. Sie liegt einzig und allein beim Gericht. Jugendamt und Pflegeeltern können empfehlen und berichten – doch der gerichtliche Beschluss ist bindend für alle.
Sowohl das Jugendamt als auch die Pflegeeltern müssen sich diesem Beschluss fügen. Selbst dann, wenn Mitarbeitende es anders sehen. Selbst dann, wenn es weh tut. Selbst dann, wenn man es für absolut falsch hält und Herz, Kopf und Verstand nach Gerechtigkeit oder Widerstand schreien. Am Ende bleibt nur, den Beschluss anzunehmen – auch wenn er schwer auszuhalten ist.
Das Jugendamt ist oft stark gefordert. Es gibt viele Fälle, wenig Zeit, großen Druck. Und trotzdem geben die Mitarbeitenden ihr Bestes. Sie kämpfen für Kinder, auch wenn das nicht immer sichtbar ist. Aber sie können es nicht allein schaffen. Sie brauchen Unterstützung. Sie brauchen Menschen, die bereit sind, Kinder aufzunehmen. Menschen, die nicht wegschauen. Menschen, die Verantwortung übernehmen.
Denn am Ende geht es nicht um Schlagzeilen. Es geht um Kinder, die gesehen werden müssen. Um Familien, die Hilfe brauchen. Um Entscheidungen, die niemand leicht trifft – und die trotzdem getroffen werden müssen. Das Jugendamt ist nicht der Feind. Es ist ein Partner, der Hilfe sucht. Ein Partner, der Menschen braucht, die bereit sind, mitzugehen.
Wenn du darüber nachdenkst, Pflegeeltern zu werden, dann ist es wichtig, nicht nur dich selbst zu prüfen – sondern auch das Jugendamt, mit dem du zusammenarbeiten möchtest. Wie offen ist die Kommunikation? Wie klar sind die Abläufe? Wie menschlich ist der Kontakt? Du wirst eng mit diesen Menschen zusammenarbeiten, manchmal in sehr emotionalen Situationen. Da braucht es Vertrauen auf beiden Seiten.
Du bist kein Bittsteller. Du bist jemand, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Und du hast das Recht, Fragen zu stellen – viele Fragen. Du darfst sagen, wenn du etwas nicht verstehst. Du darfst sagen, wenn du Unterstützung brauchst. Du darfst auch sagen, wenn du mit einem Kind an deine Grenzen kommst. Das ist keine Schwäche. Das ist gelebte Verantwortung.
Und du musst diesen Weg nicht allein gehen. Es gibt Netzwerke, Fachberatungen, andere Pflegeeltern. Menschen, die dich begleiten, die zuhören, die verstehen. Menschen, die da sind, wenn es schwer wird – und die mit dir lachen, wenn es leicht ist.
Der Hausbesuch
Der Hausbesuch ist ein Moment, der sich anfühlt wie eine Mischung aus Prüfung, Vorstellungsgespräch und Kaffeekränzchen. Du weißt, dass es nicht darum geht, ob Deine Vorhänge farblich abgestimmt sind oder ob die Fenster geputzt sind. Und trotzdem räumst Du auf. Nicht, weil Du etwas verstecken willst – sondern weil Du zeigen möchtest: Hier ist Platz. Hier ist Sicherheit. Hier darf ein Kind ankommen.
Als die Tür aufging, war die Nervosität da. Nicht, weil wir misstrauten – sondern weil wir wussten, was auf dem Spiel steht. Es geht nicht um eine Genehmigung auf Papier. Es geht um Vertrauen. Um Verantwortung. Um die Frage: Können wir das wirklich?
Der Hausbesuch war kein Kontrollgang mit Checkliste. Es war ein Gespräch auf Augenhöhe. Wir sprachen über unsere Räume, unsere Vorstellungen, unsere Ängste. Wir zeigten das Kinderzimmer, das noch leer war – aber voller Hoffnung. Wir sprachen über unsere Biografien, unsere Ehe, unsere Grenzen.
Und wir spürten: Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, ehrlich zu sein. Offen. Lernbereit. Und bereit, sich begleiten zu lassen.
Am Ende des Besuchs war da kein Urteil – sondern ein Nicken. Ein Lächeln. Und das Gefühl: Wir sind auf dem richtigen Weg.
Der Bereitschaftspflegevertrag
Bevor du ein Kind aufnehmen kannst, unterschreibst du den Bereitschaftspflegevertrag. Klingt trocken – ist aber ein wichtiger Schritt. Denn dieser Vertrag regelt nicht nur Rechte und Pflichten, sondern auch die finanzielle Seite der Pflege.
In Schleswig-Holstein wird die Bereitschaftspflege mit einer erhöhten Tagespauschale vergütet.
Für Dauerpflegeeltern (unbefristetete Vollzeitpflege) gilt ein anderes Modell mit monatlicher Pauschale, die Versorgung und Aufwand langfristig abdeckt.
Die Vorbereitungszeit – und das Warten auf das erste Kind
Wenn man ein eigenes Kind erwartet, hat man neun Monate Zeit, sich vorzubereiten. Man kauft Kleidung, richtet ein Zimmer ein, liest Bücher, träumt. Man weiß, wann es ungefähr kommt. Man kennt den Namen. Man kennt die Geschichte.
Als Bereitschaftspflegeeltern hast Du diese Zeit nicht. Du weißt nie, wann das Telefon klingelt. Nie, wer kommt. Nie, wie lange das Kind bleibt. Und trotzdem bereitest Du Dich vor.
Wir haben Platz für zwei Kinder im Alter von 0 bis 2 Jahren. Wir haben Kleidung in verschiedenen Größen sortiert, Windeln in mehreren Varianten, Fläschchen, Schnuller, Spielzeug, Bücher, Kinderwagen, Babybetten. Nicht, weil wir wissen, was kommt – sondern weil wir wissen, dass jemand kommt.
Und wir wollen, dass dieser jemand sich willkommen fühlt.
Du bereitest Dich nicht nur mit Listen vor – sondern mit Gedanken. Mit Gesprächen. Mit innerer Arbeit. Du fragst Dich: Bin ich bereit, ein Kind zu halten, das schreit, weil es nicht weiß, wo es ist? Bin ich bereit, es zu lieben – auch wenn ich es wieder loslassen muss?
Diese Zeit ist voller Spannung. Voller Hoffnung. Voller Zweifel. Und sie ist kostbar. Denn sie zeigt Dir, wie viel Du geben kannst, bevor überhaupt jemand da ist.
Pflegeeltern – die vergessenen helfenden Hände
In dieser Vorbereitungszeit haben wir etwas erkannt, das uns tief bewegt – und ehrlich gesagt auch verletzt hat.
Für werdende Eltern gibt es unzählige Unterstützungsangebote: Willkommenspakete, Babystartboxen, Gutscheine, Plattformen voller Tipps und liebevoller Aufmerksamkeiten. Alles ist darauf ausgerichtet, mit Mutterpass oder Geburtstermin sichtbar zu werden und Unterstützung zu erhalten. Es gibt Listen, Ratgeber, Checklisten – und ganz viel gesellschaftliche Wärme.
Doch Pflegeeltern? Wir passen in keines dieser Systeme. Wir haben keinen Mutterpass, keinen festen Geburtstermin, keine planbare Vorlaufzeit. Wir begleiten Kinder in den ersten, oft schwierigsten Stunden ihres Lebens – und das mit wechselnden Kindern, ohne dass ein Portal oder eine Box uns auffängt. Aber wir tun es mit ganzem Herzen.
Natürlich gibt es Unterstützung: durch das Jugendamt, durch Netzwerke, durch befreundete Pflegeeltern. Diese Hilfe ist wertvoll und wichtig. Aber was ist mit der Öffentlichkeit? Mit der Gesellschaft? Mit den Unternehmen?
Während werdende Eltern und Mütter große Unterstützung von Politik und Öffentlichkeit erfahren, bleiben Pflegeeltern in den meisten unternehmerischen Systemen vergessen – oder ganz ausgeschlossen.
Hier fehlt oft das Bewusstsein. Die Sichtbarkeit. Die Anerkennung.
Und genau das hat uns bewegt, Unternehmen anzuschreiben. Nicht für Geld. Nicht für Werbung. Sondern für Menschlichkeit.
Uns ging es nie um die Größe oder den Umfang eines Pakets. Nicht um Vorrat, nicht um Ausstattung – sondern um Mitgefühl. Wir suchten keine Großspende, sondern ein Zeichen. Ein Zeichen für Wärme, für gesellschaftliche Verantwortung, für die Sichtbarkeit von Pflegekindern und Pflegeeltern. Ein Zeichen dafür, dass auch Pflegeeltern gesehen werden. Dass es Menschen gibt, die nicht wegsehen, wenn es unbequem wird.
Also haben wir geschrieben. Persönlich. Ehrlich. Mit der Hoffnung, verstanden zu werden. Nicht mit der Erwartung, etwas zu bekommen – sondern mit dem Wunsch, gehört zu werden. Wir wollten wissen, ob es da draußen Menschen und Unternehmen gibt, die erkennen, wie viel Bereitschaftspflege bedeutet. Wie viel Mut darin steckt. Wie viel Liebe. Wie viel Unsichtbares, das oft niemand sieht.
Natürlich gab es unfassbar viele Absagen. Unpersönlich, routiniert, distanziert. Man unterstütze bereits Projekte im Ausland, hieß es. Man habe Spendenaufrufe vor Jahren gebündelt. Man könne keine Privatpersonen mehr berücksichtigen.
Und obwohl wir das nachvollziehen konnten, tat es weh. Denn hinter jeder Anfrage stand kein Verein – sondern wir. Zwei Menschen, die bereit sind, ein Kind in Not aufzunehmen. Zwei Menschen, stellvertretend für Bereitsschaftspflegeeltern, die einfach nur gesehen werden wollten.
Und genau deshalb hat es uns tief berührt, als wir gehört wurden. Als Antworten kamen – nicht nur in Form von großen Gesten, sondern in Form von echtem Mitgefühl. Als Menschen und Unternehmen nicht einfach Pakete verschickten, sondern Haltung zeigten. Als sie uns nicht nur etwas schickten, sondern etwas sagten:
IHR SEID NICHT ALLEIN.
Diese Unterstützung war für uns mehr als eine Hilfe. Sie war wie eine leise Umarmung in einem Moment, in dem man sich sonst oft allein fühlt. Eine Botschaft, die nicht laut sein musste, um anzukommen.
Auf der folgenden Seite seht Ihr Unternehmen, die uns ohne Zögern geholfen haben. Nicht als bezahlte Werbung – sondern als echtes soziales Statement.
UND DAFÜR SAGEN WIR VON HERZEN. DANKE!
„Ihr habt Pflegekinder und Pflegeeltern sichtbar gemacht – als andere weggesehen haben.“
Ein Dank, der mehr bedeutet als Worte
In einer Zeit, in der Pflegeeltern und Pflegekinder oft unsichtbar bleiben, habt Ihr ein starkes Zeichen gesetzt. Ihr wart die Ersten, die ohne Zögern an unserer Seite standen – nicht aus Pflicht, nicht aus Werbung, sondern aus echter Menschlichkeit.
Euer Handeln ist mehr als Unterstützung. Es ist ein klares soziales Statement:
Pflegekinder und Pflegeeltern gehören gesehen, gewürdigt und getragen.
Ihr habt gezeigt, dass gesellschaftliche Verantwortung nicht nur ein Wort ist, sondern eine Haltung.
Dafür empfinden wir tiefen Respekt und unendliche Dankbarkeit.
Von Herzen: Danke.
(alphabetisch sortiert)
In unserer Berichtsreihe werden noch weitere Unternehmen vorgestellt, die uns unterstützt haben. Doch in unserer Anfangsphase waren diese Unternehmen die Ersten, die ohne Zögern an unserer Seite standen – und genau das werden wir niemals vergessen. Deshalb gilt dieser erste, ganz besondere Dank ihnen.
Und jetzt?
Jetzt beginnt die Zeit des Wartens. Die Zeit, in der alles vorbereitet ist – und doch nichts planbar. Wir wissen nicht, wann das erste Kind kommt. Nicht, wie alt es ist. Nicht, wie lange es bleibt. Aber wir wissen: Wenn es soweit ist, werden wir bereit sein.
Was dann passiert, hat unser Leben verändert…
Ein Moment, der leise beginnt – und alles auf den Kopf stellt. Ein Anruf. Eine Stimme. Und plötzlich ist alles anders.
Was dann geschah, erzählen wir Dir in der nächsten Ausgabe.
Bleib bei uns. Denn das ist erst der Anfang.
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Wir nehmen Dich mit – ehrlich, nah und mitten ins Herz der Bereitschaftspflege.