Mobbing hat ein Gesicht
– und sie hat ihn fast zerstört
Ich schreibe diesen Text nicht als Außenstehender. Ich schreibe ihn als Sascha – als Freund, als Zuhörer, als jemand, der Tränen in den Augen hatte, als mir mein bester Freund zum ersten Mal erzählte, was ihm widerfahren ist.
Er war ein Mann wie ein Bär. Stark, herzlich, lebensfroh. Nichts konnte ihn erschüttern. Er war derjenige, der andere zum Lachen brachte, selbst wenn alles um ihn herum brannte. Wenn er einen Raum betrat, wurde es heller. Er war laut, lebendig, voller Energie – bis dieser Job ihn veränderte. Stück für Stück. Leise. Heimlich. Bis von seinem Lachen nur noch ein Schatten blieb.
Es ist eine Geschichte, die mich bis heute nicht loslässt. Eine Geschichte, die zeigt, dass Mobbing nicht nur Frauen trifft. Auch Männer werden verletzt. Auch Männer brechen – still, leise, oft unbemerkt.
Der Anfang voller Hoffnung
Er hatte diesen Job gebraucht. Nicht nur wegen des Geldes – sondern wegen der Hoffnung. Nach einer schwierigen Zeit wollte er neu anfangen. Ich erinnere mich noch genau, wie er mir damals schrieb: „Sascha, ich hab’s geschafft. Montag geht’s los. Ich bin nervös, aber auch stolz.“
Der erste Tag war wie ein Neuanfang. Er erzählte mir von dem Duft nach Kaffee, dem leisen Summen der Drucker, dem Gefühl, endlich wieder gebraucht zu werden. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange.
Die ersten Risse
„Du musst schneller arbeiten, viel schneller!“ – das waren die ersten Worte, die ihn trafen wie ein Schlag ins Gesicht. Woche zwei. Er hatte sich gerade in die Programme eingearbeitet. Die Stimme kam von einer Frau. Einer Kollegin. Laut, schneidend, über den Schreibtisch hinweg. Alle sahen ihn an. Und er? Er lächelte unsicher, murmelte: „Ich gebe mein Bestes.“ Doch ihr Blick blieb kalt. „Einarbeitung darf nicht länger als drei Monate dauern. Wenn du das nicht schaffst, bist du hier falsch.“
Ein Alltag aus Angst
Von da an wurde jeder Tag ein Spießrutenlauf. Jeder Klick, jede Bewegung, jedes Wort wurde beobachtet. Fragen wurden mit Augenrollen quittiert. Fehler wurden ihm laut vorgehalten – selbst wenn es keine waren. „Schon wieder falsch!“ – quer durchs Büro. Er erzählte mir, wie er sich in seinem Stuhl zusammenkauerte, wie die Scham ihn auffraß.
Unsichtbare Angriffe
Dann verschwanden plötzlich seine Unterlagen. Die Mappen, die er mühsam sortiert hatte, waren weg. Niemand antwortete auf seine Frage. Nur ein leises Kichern im Hintergrund. Später fand er sie – weggeschlossen. Ohne Schlüssel. Ohne Zugang. Wie sollte er so arbeiten?
Es hörte nicht auf. Sein Arbeitsplatz wurde durchwühlt. Persönliche Notizen fehlten. Es fühlte sich an, als würde jemand hinter ihm stehen und ihn mit unsichtbaren Fingern schubsen.
Die Täterin hatte ein Lächeln
Er suchte das Gespräch. „Ich habe das Gefühl, dass hier etwas schiefläuft.“ Doch man lachte ihn aus. „Du siehst Gespenster.“ – „Mach dich nicht so wichtig.“ Und sie? Die Kollegin? Sie lächelte. Aber nicht freundlich. Sondern wie jemand, der weiß, dass niemand hinsieht. Sie war es, die ihn systematisch zermürbte. Mit Worten. Mit Schweigen. Mit gezielter Isolation.
Der stille Zusammenbruch
Man verdrehte seine Worte. Aussagen, die nie gefallen waren, machten die Runde. Er wurde zum Außenseiter. Zum Problem. Zum Mann, der „nicht belastbar“ sei.
Abends saß er oft stundenlang im Auto, bevor er sich traute, auszusteigen. „Bin ich wirklich so dumm?“ fragte er sich. „Was stimmt nicht mit mir?“ Irgendwann kam die Antwort nicht mehr von ihm – sie kam von ihr. Und sie fraß sich tief in sein Herz.
Ich weiß noch, wie er mir sagte: „Ich dachte, der Chef hilft mir. Aber er hat nur gesagt: ‚Das ist normal in der Anfangszeit. Stell dich nicht so an.‘“ Da brach etwas in ihm. Nicht laut. Nicht sichtbar. Aber tief.
Der Körper sagt: Genug
Dann kamen die Panikattacken. Herzrasen beim Anblick des Firmengebäudes. Schweißnasse Hände auf dem Parkplatz. Atemnot im Flur. Sein Körper schrie: „Geh!“ Und eines Morgens, in der Büroküche, brach er zusammen.
„Sascha“, sagte er mir, „sie wollten mich brechen. Aber mein Ende sollte nicht ihnen gehören.“ Und so stand er wieder auf. Reichte seine Kündigung ein. Die Hände zitterten. Aber sein Herz war frei.
Die Entscheidung zur Freiheit
Heute weiß er: Kein Job, kein Team, kein Vorgesetzter – und keine Kollegin – hat das Recht, einen Menschen so zu behandeln. Sie haben versucht, ihm die Würde zu nehmen. Doch am Ende ist er gegangen – nicht als Verlierer, sondern als jemand, der stärker ist, als sie je gedacht hätten.
Du bist nicht allein
Ich teile seine Geschichte, weil sie erzählt werden muss. Weil Männer oft schweigen. Weil Schmerz kein Geschlecht kennt. Und weil niemand allein sein sollte.
Wenn du dich wiedererkennst – bitte sprich. Bitte hol dir Hilfe. Es ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Mut.
Hilfe bei Mobbing in Deutschland
- Telefonseelsorge
0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222
Rund um die Uhr erreichbar, anonym und kostenlos
www.telefonseelsorge.de
- Nummer gegen Kummer – Elterntelefon
0800 111 0 550 | Mo–Fr 9–17 Uhr, Di & Do auch 17–19 Uhr
www.nummergegenkummer.de
- Nummer gegen Kummer – Kinder- und Jugendtelefon
116 111 | Mo–Sa 14–20 Uhr, anonym und kostenlos
- DGB Rechtsschutz
Arbeitsrechtliche Beratung und Vertretung für Mitglieder der Gewerkschaften | www.dgbrechtsschutz.de
- Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)
Auch bei psychosozialen Belastungen durch Mobbing
0800 011 77 22 | www.patientenberatung.de
- Notrufnummer: 112
Bei akuter Gefahr oder schweren psychischen Krisen
- Hausarzt oder Psychotherapeut
Ein wichtiger Schritt bei Panikattacken, Schlafstörungen oder Depressionen