Wie Tanzen mein Leben verändert hat

nl trenner 250
nl-trenner-250

Wer ich bin – und warum Tanzen mein Leben ist

Vie­le von euch ken­nen mich schon aus mei­nen Arti­keln.

Mein Name ist Inga Wil­king, ich bin 33 Jah­re alt, seit Juli 2015 aus­ge­bil­de­te ADTV-Tanz­leh­re­rin und seit dem 1. Janu­ar 2021 Inha­be­rin der ADTV Tanz­schu­le Tess­mann in Kiel (Teil­ha­be­rin schon seit dem 1. Janu­ar 2019).

Tan­zen ist mei­ne Lei­den­schaft und ich genie­ße das gro­ße Pri­vi­leg, die­se Lei­den­schaft täg­lich beruf­lich aus­zu­üben und vor allem, sie mit ande­ren Men­schen zu tei­len.

Ein Beruf? Ein Gefühl.

In mei­nen Tex­ten habe ich schon über die ver­schie­dens­ten tän­ze­ri­schen The­men gespro­chen. Ihr habt mei­nen Kol­le­gen Cars­ten ken­nen­ge­lernt sowie sei­ne Grün­de, Tanz­leh­rer zu wer­den. Und auch mei­ne aktu­el­le Aus­zu­bil­den­de Melina, die erzählt hat, was sie dazu bewo­gen hat, die Aus­bil­dung zu star­ten.
Mei­ne eige­nen Moti­ve, Tanz­leh­re­rin zu wer­den, habe ich bis­her außen vor gelas­sen.

Als alles mit einem Traum begann

Wie immer begann alles mit einem Traum. Der Tanz­leh­rer­be­ruf war es zunächst eigent­lich noch gar nicht. Ja, ich habe immer ger­ne getanzt und auch schon seit mei­nem 13. Lebens­jahr in mei­ner dama­li­gen Tanz­schu­le aus­ge­hol­fen und gear­bei­tet, aber eigent­lich woll­te ich immer raus. Aus­wan­dern, weg aus Deutsch­land und mein eige­nes Glück in einem ande­ren Land fin­den. Dabei hat­te ich mein Augen­merk immer auf Fremd­spra­chen gelegt. Bücher über­set­zen, in einem klei­nen roten Holz­haus am See in Finn­land, mit ein paar Pfer­den, Hund und Kat­ze sowie einer eige­nen Fami­lie. Oder doch Eng­lisch und Deutsch als Fremd­spra­chen­leh­re­rin? Naja, es war ja noch Zeit bis zum Abitur. Also mal sehen. Damals muss ich unge­fähr 15 Jah­re alt gewe­sen sein.

Der Moment, in dem alles anders wurde

Mit 16 ver­brach­te ich dann einen Tag als Schü­ler­prak­ti­kan­tin in mei­ner dama­li­gen Tanz­schu­le. Ich durf­te eine Kin­der­tanz­stun­de mit­ma­chen, muss­te unse­re Spül­ma­schi­ne ent­kal­ken, und wäh­rend im Saal Break­dance lief und mein Chef und ich gemein­sam Gas­tro-Kata­lo­ge durch­fors­te­ten, kam plötz­lich die Aus­sa­ge mei­nes Chefs: „Den Kurs gleich um 19 Uhr – den kannst ja eigent­lich du unter­rich­ten.“

Von null auf hun­dert wur­de ich knall­rot. Die Idee gefiel mir, aber ich konn­te mir nicht ansatz­wei­se vor­stel­len, die­ser Auf­ga­be gewach­sen zu sein. Das Ende vom Lied: Wir haben geübt, wie ich eine bestimm­te Figur unter­rich­ten soll, und irgend­wann kam dann im Unter­richt mein Auf­tritt.

Heu­te weiß ich, dass das kein wirk­li­cher Unter­richt war. Ich habe die Schrit­te gezeigt und gezählt und dann für die Paa­re an- und mit­ge­zählt. Aber am Ende der Ein­heit konn­ten sie es. Und ich? Ich hat­te Blut geleckt.

Tanzen als sicherer Hafen

Die Tanz­schu­le war schon damals immer mein abso­lu­ter Safe Space und mein Rück­zugs­ort.

Kurz vor mei­nem ers­ten Tanz­kurs trenn­ten sich mei­ne Eltern, und auf der Suche nach einer Bezugs­per­son, die mir Rück­halt und Sicher­heit gibt, geriet ich bei uns im Reit­stall an eine Per­son, die das alles aus­nutz­te und mich über ein Jahr hin­weg regel­mä­ßig sexu­ell beläs­tig­te, also fest­hielt und anfass­te. In der Schu­le war ich kei­ne Außen­sei­te­rin, aber auch defi­ni­tiv nicht beliebt, und aus einem fröh­li­chen und selbst­be­wuss­ten Kind wur­de schnell eine ver­schlos­se­ne und schüch­ter­ne Teen­age­rin, die sich auf nie­mand ande­ren als sich selbst ver­las­sen woll­te und – um ein Gefühl von Kon­trol­le und gleich­zei­tig auch Erleich­te­rung zu erfah­ren – regel­mä­ßig geritzt hat.

Vertrauen in jedem Schritt

In der Tanz­schu­le fand ich dann das, was ich gesucht und auch gebraucht habe. Ich lieb­te schon immer die Musik, und Tan­zen fiel mir leicht. Ich war gut dar­in. In den Kur­sen wur­de ganz klar defi­niert, wel­che Form von Anfas­sen nor­mal und gut ist, aber auch, wel­che Kör­per­zo­nen tabu sind. So konn­te ich viel Ver­trau­en auf­bau­en – sowohl in mei­ne eige­nen Gren­zen als auch in mei­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on, die­se Gren­zen zu ver­tre­ten. Ich habe auf eine ganz ande­re, siche­re Art und Wei­se gelernt, Nähe und Distanz zum ande­ren Geschlecht zu erle­ben.

Mein Tanz­leh­rer gab mir zusätz­lich die Bezugs­per­son, die ich so drin­gend gebraucht hat­te, und war für mich da, wenn ich ihn brauch­te. So wur­de die Tanz­schu­le mehr und mehr zu mei­nem Zuhau­se, und heu­te kann ich ganz sicher sagen: Ohne die Tanz­schu­le und das, was mein Tanz­leh­rer und die Kur­se mir gege­ben haben, wäre ich heu­te nicht die Per­son, die ich bin. Ich durf­te mich selbst fin­den, mein Ver­trau­en in mich und ande­re neu erler­nen und auch mei­nen eige­nen Kör­per wie­der anneh­men, ohne mich ver­ste­cken zu wol­len.

Warum ich heute gebe, was ich selbst bekommen habe

Und damit kom­men wir zu mei­nem Traum und dem pri­mä­ren Grund, war­um ich Tanz­leh­re­rin gewor­den bin: Die Tanz­schu­le hat mein Leben ver­än­dert und einen gro­ßen Teil dazu bei­getra­gen, mich zu der Per­son zu machen, die ich heu­te bin. Ich habe mir damals gesagt, dass ich die Per­son, die mein Tanz­leh­rer für mich war, für ande­re Men­schen sein möch­te. Wenn ich nur ein paar Leben mei­ner Schüler*innen – egal ob Kind, jugend­lich oder erwach­sen – posi­tiv beein­flus­sen kann oder ihnen das geben kann, was ich damals gebraucht habe, dann ist es genau das, was ich tun möch­te.

Bis zum heu­ti­gen Tag treibt mich die­ser Traum an, und es macht mich glück­lich, in die­ser Posi­ti­on ste­hen zu dür­fen.

Zwischen Musik und Bewegung findet die Seele ihren Weg zurück.

NL-Trenner
Werbeanzeige modern Mai

Teile diesen Post