Mein Leben zwischen Schmerz und Hoffnung

underline-wave-oky0c7ff0survxrrffsw5vleuchgsnc38mafvf66zk png
Arno-NORDISCHLIFESTYLE-022025

Mein Leben zwischen Schmerz und Hoffnung

Eine Reise durch die Schatten der Kindheit

Die Welt kam auf mich zu, ein kalter Dezembermorgen in Rosenheim, 1970. Alles war neu, alles war ungewohnt. In der Geburtsstation, umgeben von anderen Neugeborenen, spürte ich bereits den ersten Hauch von „anders sein“. Pflegefachlich und medizinisch bestens versorgt, wie es damals üblich war. Doch mein Leben sollte sich bald in eine Richtung entwickeln, die weit von der Norm entfernt war, und zwar auf eine Weise, die ich mir als Kleinkind nicht vorstellen konnte.

Die ersten Schritte in eine Welt des Schmerzes

Mit zwei Jahren begann meine Odyssee durch Krankenhäuser und Kureinrichtungen. Pseudokrupp und Bronchialasthma, meine neuen Begleiter. Die Empfehlung meines Kinderarztes: Eine Kur an der Nordsee. Amrum, ein Ort ohne meine Eltern. Sechs Wochen an der Küste, die Luft salzig, der Wind rau. Die Kälte kroch durch meine kleinen Knochen, während ich nach meinen Eltern suchte, nach ihrer Wärme, nach ihrem vertrauten Geruch. Als sie mich endlich abholten, erkannte ich sie nicht wieder. Ein Schrei, ein Gefühl der Verwirrung, der Angst. Ein Jahr später, dieselbe Prozedur. Wieder Amrum, wieder ohne meine Eltern. Die Sehnsucht nach ihnen war ein ständiger Schmerz, der sich in meine kleine Seele fraß.

Ein neues Zuhause, doch keine Ruhe

1973, ein Jahr später, zog unsere Familie nach Schleswig-Holstein. Der Grund: Die Kuren an der Nordsee, die mich von meinen Atemwegserkrankungen erlösen sollten. Doch das Schicksal hielt noch weitere Prüfungen für mich bereit, eine unaufhaltsame Reihe von Prüfungen, die mich bis ins Erwachsenenalter begleiten sollten.

Die erste große Operation – Allein unter Erwachsenen

Mit fünf Jahren, die nächste Herausforderung: Eine akute Blinddarmentzündung. Die Uniklinik in Kiel, ein Ort der Angst, der Ungewissheit. Wieder ohne meine Eltern, nur kurze Besuche. Zehn Tage in einem Vier-Bett-Zimmer mit drei Erwachsenen. Keine Kinderchirurgie, keine kindgerechte Umgebung. Die Welt der Erwachsenen umgab mich. Ich war ein kleines Schiff, das auf einem stürmischen Meer treibt, allein und verloren.

freepik__the-style-is-candid-image-photography-with-natural__68858

Der Tag, der alles veränderte

1981, ein schicksalhafter Septembertag. Ein Unfall, ein Kleinlaster, ein ohrenbetäubender Knall. Zehn Tage im Koma, eine Rückenmarkspunktion, ein „Oberschenkeltrümmerbruch“. Die Welt war dunkel, die Schmerzen unerträglich. Zwei Polizisten in grüner Uniform, die mich fragten, ob ich mich an etwas erinnern könnte. Natürlich nicht – alles war ein einziger Schmerz. Mein Körper war zerbrochen, meine Seele war zerrissen.

Gefangen in einem Käfig aus Schmerz

Der Streckverband – ein Folterinstrument. Ein Metallstift durch den Knochen, ein Gewicht am Drahtseil. Jede Bewegung, jeder Schmerz. Die Ärzte versprachen meinen Eltern, ich wäre in sechs Wochen wieder zu Hause. Ein trügerischer Trost. Die Hoffnung schwand mit jedem Tag, mit jedem Schmerz, der mich durchdrang.

Eine Operation als letzte Hoffnung?

Die Operation, eine Hoffnung. Eine Platte aus medizinischem Stahl, Schrauben, ein Liegegips vom Fuß bis zum Bauchnabel. Vier Monate statt sechs Wochen. Immer umgeben von Erwachsenen, keine kindgerechte Umgebung. Zivis, Schwestern, Pfleger, Ärzte, Reinigungskräfte. Die Welt der Erwachsenen umgab mich. Ich war gefangen in einem Käfig aus Schmerz und Einsamkeit. Ein Rollstuhl, meine neue Freiheit. Doch warum ein Rollstuhl nach einem Beinbruch? Eine psychische Blockade, die erst Jahre später erkannt und geheilt wurde. Die Angst, die Unsicherheit, sie saßen tief in mir.

Der Kampf um Heilung – Ein endloser Kreislauf

Kaum zehn Tage zu Hause – die Schmerzen kehrten zurück. Eine Knochenmarksentzündung, ein loses Knochenstück. Die Süd Chirurgische Kinderklinik in Lübeck, eine neue Hoffnung. Eine OP in der Med. Hochschule zu Lübeck, ein Taxi, eine Krankenschwester. Die Platte und die Schrauben entfernt, das Knochenstück weg. Die Narbe, ein ständiger Reminder. Eine Antibiose-Kette, Medikamente direkt ins Gewebe. Eine gute medizinische Versorgung, aber keine kindgerechte Umgebung. Selten Besuch von meinen Eltern, keine Eltern-Kind-Zimmer. Nach 40 Wochen, die Entlassung. Geheilt? Weit gefehlt! Die Hoffnung war wie ein zerbrechliches Glas, das bei jedem Rückschlag weiter riss.

freepik__a-caucasian-sad-boy-age-11-with-curly-brown-hair-l__74779

Ein langer Weg zurück ins Leben

Fünf Wochen später, alles wieder von vorne. Medikamentöse Behandlung, eine weitere OP. Das Knochenmark abgesaugt, Schwammgewebe aus dem Beckenknochen. Diese Behandlung verlief erfolgreich. Doch laufen konnte ich noch immer nicht. Die Enttäuschung war wie ein schwerer Stein, der auf meiner Brust lag.

Sechs Jahre mit kurzen Unterbrechungen, verschiedene Kliniken, 17 Operationen. Meine Reise zum Aufrecht-Gehenden. Eine Reise voller Schmerzen, voller Angst, voller Einsamkeit. Eine Reise, die mich geprägt hat. Ich war ein Überlebender, ein Kämpfer, ein Kind, das gelernt hatte, mit Schmerz und Angst zu leben.

Heute – Ein Blick zurück mit Dankbarkeit und Narben

Die Welt von 1970, eine Welt der Erwachsenen. Keine kindgerechten Umgebungen, keine Eltern-Kind-Zimmer, keine kindgerechte medizinische Versorgung. Heute, eine andere Welt. Kinderkliniken mit bunten Wänden, Spielzimmern, Eltern-Kind-Zimmern. Eine Welt, die die Bedürfnisse von Kindern berücksichtigt. Eine Welt, die versucht, die Angst und den Schmerz zu lindern.

Meine Reise durch die Welt der Krankenhäuser und Kuren hat mich geprägt. Sie hat mich stärker gemacht, aber auch verletzlich. Sie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, für sich selbst einzustehen, wie wichtig es ist, Hilfe anzunehmen. Und sie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass Kinder in einer Welt leben, die ihre Bedürfnisse versteht.

nl-trenner-250

Narben sind die Tinte, mit der das Leben seine Geschichten schreibt.

Teile diesen Post